Friedrich Hermann Lütkemüller

 Biografie

 

Friedrich Hermann Lütkemüller wurde am 26. Februar 1815 in Papenbruch bei Wittstock geboren. Der Vater Samuel Christoph Abraham Lütkemüller war dort Pastor. Der junge Lütkemüller erlebte 1829 den Neubau einer Orgel in Wildberg bei Neuruppin, der zweiten Pfarrstelle des Vaters. Daraufhin entstand der Wunsch, Orgelbauer zu werden.

Von der Gründung der eigenen Werkstatt 1844 bis zu seinem Tod lebte Lütkemüller in der nordbrandenburgischen Stadt Wittstock. 1845 heiratete er Laura Tondeur aus Berlin (1824-1905), Tochter eines königlichen Hauptmannes hugenottischer Abstammung.

Weder eines seiner Kinder noch ein Geselle führten die Werkstatt nach dem Tod des Orgelbauers am 19. Oktober 1897 fort.

 

 

 

Ausbildung und Wanderschaft

 

Im März 1830 wurde Johann Friedrich Thurley in Treuenbrietzen Lütkemüllers erster Lehrmeister. Thurley war damals 26 Jahre alt, hatte den kleinen Betrieb seines Vaters übernommen und baute überwiegend kleine einmanualige Landorgeln. Vier Jahre später begannen Lütkemüllers Wanderjahre. Er machte Station in Berlin bei Carl August Buchholz, einem damals führenden Orgelbauer, dessen augenblicklich dünne Auftragslage einen langen Aufenthalt nicht ermöglichte. Nach einigen Wochen bei Gottlieb Heise in Potsdam gelangte er Ende des Jahres 1834 zu Eberhard Friedrich Walcker in Ludwigsburg, dessen guter Ruf bereits weit über die schwäbische Landesgrenze reichte. Walcker war der innovativste Orgelbauer in Deutschland und Ziel vieler junger wandernder Orgelbauergesellen. 1837 ging Lütkemüller für ein Jahr zurück in die Heimat, um sein Militärjahr abzuleisten. Bemerkenswert ist, dass er anschließend wieder zurück nach Ludwigsburg ging, um für weitere fünf Jahre bei Walcker zu arbeiten. 1838 bis 1840 war er am Bau der Orgel für St. Petersburg beteiligt, anschließend leitete er den Orgelaufbau in der Olaikirche Reval (heute Tallinn) in Estland. Als Werkmeister besaß er eine verantwortungsvolle Stellung in Walckers großem Betrieb.

 

 

Die eigene Werkstatt

 

Die Ludwigsburger Zeit wurde durch den Ruf aus der Heimat beendet, für die Wittstocker Marienkirche eine neue Orgel zu bauen. Im Januar 1844 wurde den Vertrag über eine dreimanualige Orgel mit 44 klingenden Stimmen abgeschlossen. Am 26. Juli 1846 wurde die Orgel revidiert und abgenommen. Im Zusammenhang mit den Planungen für den großen Neubau gründete er in Wittstock seine Firma. 1848 kaufte er in Nähe des Bahnhofes in der Eisenbahnstraße 5 ein Gebäude, das er bewohnte und neben dem er seine Werkstatt errichtete.

 

Mit wie vielen Mitarbeitern er arbeitete, ist nicht bekannt. Von der Firmengründung 1844 bis zu seinem Tod 1897 war Lütkemüller in Brandenburg, Mecklenburg, Sachsen-Anhalt, vereinzelt auch in Pommern tätig. Sein Schaffen wird auf etwa 200 neue Orgeln geschätzt.

 

 

Vorbilder und Prägung

 

Bereits bei den ersten Orgeln sind die Eindrücke und Erfahrungen der Aufenthalte bei Buchholz und Walcker nicht zu übersehen. Von Buchholz schaute er sich die Art der Metallpfeifenherstellung mit der gotisierenden Oberlabienform ab. Er betonte selbst, er lernte in dessen Werkstatt die „erste solide Arbeit kennen, namentlich seine sehr gute Zinnarbeit.“ Prägender war der lange Aufenthalt bei Walcker. Wie dieser baute auch Lütkemüller für mehrmanualige Orgeln freistehende, mit dem Blick zum Altar gerichtete Spieltische, die den Walckerschen sehr ähneln. Auch der Bau von Holzpfeifen sowie die Gestalt und Disposition der Kleinorgeln zeigen die Nähe zu diesem Meister.

 

Die Orgeln des Wittstocker Meisters gehören in die romantische Orgelbauepoche. Aber sie haben im Unterschied zu Orgeln seiner Zeitgenossen aufgrund baulicher Eigenheiten einen teilweise dem Barock nahestehenden Klangcharakter. Lütkemüller war im Bau verschiedener Details konservativ. Mit dem Festhalten am Bau der mechanischen Schleifladenorgel transportierte er sie bis an den zeitlich äußerst möglichen Rand in die Epoche eines neuen Orgelbaues hinein.

 

Der Reiz seiner Orgeln liegt darin, dass sie sowohl romantische Orgelmusik als auch Musik der Vorgängerzeit geeignet wiedergeben können.

 

 

Lütkemüller als herausragender Handwerker und Künstler

 

Unter den Orgelbauern des 19. Jahrhunderts nimmt Lütkemüller eine Sonderstellung ein.

Sein Hauptschaffen bestand in der Fertigung von Kleinorgeln. Es ist dem ländlichen Umland und dem wachsenden Bedarf von Orgeln in Dorfkirchen geschuldet, dass der Bau von kleinen Orgeln mit sechs oder sieben Registern zum Hauptteil seines Schaffens wurde. Er entwarf ein gestaffeltes Dispositionssystem für einmanualige Orgeln, aus dem sich für vier- bis zehnregistrige Instrumente hinsichtlich Registerzahl und Gehäusegröße mehrere Baugruppen (Kleinorgeltypen) bestimmen lassen. Diesen zu Beginn seiner Selbständigkeit entwickelten Bauformen blieb er mit erstaunlicher Konsequenz und nur geringfügigen Änderungen und Ausnahmen länger als 50 Jahre bis an sein Schaffensende treu.

 

Offenbar fertigte er seine Teile in Kleinserie, so dass er - da immer vorrätig - Orgeln in kürzester Zeit liefern konnte. Sie wurden in seinem „Atelier“ in Wittstock spielfertig aufgestellt und gestimmt, die Aufstellung vor Ort dauerte nur vier bis fünf Tage. Es gab Zeiten, da hatte er fertige Orgeln bereits zusammengebaut in seinem Atelier stehen und warb um Abnehmer. Diese Effektivität führte auch zu relativ günstigen Preisen.

 

Manche Teile der Orgeltypen besitzen gleiche Maße und konnten in jede Baugröße eingepasst werden. Beeindruckend ist die hohe Qualität seiner Arbeit, die die Arbeit mancher Kollegen in den Schatten stellt. Das betrifft die Maßgenauigkeit in der Gesamtkonzeption der Orgeln wie die akkurate Herstellung jedes Orgelteiles, egal, ob es sich um Metall- und Holzpfeifen oder Mechanikteile handelt.

 

Orgeln mit zwei und drei Manualen sind in nur geringer Anzahl entstanden. Auch diese großen Orgeln sind in Gestaltung, technischer Produktion, Spielbarkeit und Klang Zeugnisse höchster Qualität.

 

Lütkemüllers Klangintentionen waren geprägt von der Klarheit barocker Herkunft und dem Feinsinn der Romantik.

 

In seinem Schaffen überwog der Bau neuer Instrumente. Er nahm sich aber auch älterer Orgeln an, erweiterte sie oder baute sie in seinem Stil in hoher Qualität um, sehr gelungen zum Beispiel in der Marienkirche Röbel. Als Gutachter urteilte er sachlich und unparteiisch.

 

(Friedrich Drese)